Pilzkurs für Einsteiger (3)
Thema der dritten Lektion sind Pilzarten, die so gut wie unverwechselbar sind. Beginnen wir mit einem, den wirklich jeder kennt, dem Fliegenpilz. Für viele ist er der Inbegriff eines Giftpilzes, hat aber noch keinen umgebracht. Auch wer sich halluzinogene Visionen erhofft, dürfte in Mitteleuropa fast immer enttäuscht werden. So schön er auch aussieht, er schmeckt scheußlich. Alles Gründe, sich an seiner Schönheit zu erfreuen, ihn aber zu meiden.
Die meisten Einsteiger in die Pilzkunde interessieren sich vor allem für Arten, die man leicht und sicher erkennen und essen kann. Darunter verstehe ich solche, bei denen durch Vergleich eines Fundes mit einem Foto eine so deutliche Übereinstimmung besteht, dass Verwechslungen mit anderen Arten ausgeschlossen werden können. Auch jede Pilzerkennungs-App auf dem Handy würde sofort den korrekten Namen liefern. Ein erstes hervorragendes Beispiel ist die Krause Glucke (Sparassis crispa), die sich auch als leckerer Speisepilz großer Beliebtheit bei Sammlern erfreut. Sie kann Durchmesser von bis zu 40 cm erreichen und bis zu 5 kg schwer werden. Ihr Aussehen erinnert an einen Badeschwamm. Sie ist nicht nur lecker sondern aufgrund ihrer Größe auch sehr ergiebig, aber nicht immer leicht zu putzen.
Man achte auch darauf, dass sie nahezu ausschließlich am Stammgrund von Kiefern oder bei Kiefernstümpfen wächst. Dass sie nach den extrem trockenen Jahren 2018 bis 2023 häufiger geworden ist, deutet auf den schlechten Zustand unserer Wälder hin, der als Folge des Klimawandels eingetreten ist. Als Wurzel- oder Schwächeparasit hat die Krause Glucke beste Chancen, kranke Kiefern zu infizieren und ist daher inzwischen weiter verbreitet als gewohnt.
Der Vollständigkeit halber sei auf die in Deutschland sehr seltene Breitblättrige Glucke Sparassis brevipes hingewiesen. Sie wächst an Eichen, manchmal auch an anderen Laubhölzern oder an Tannen und unterscheidet sich optisch durch gröbere eher grau gefärbte Lappen, die zudem eine gebänderte Zonierung aufweisen. Sie ist ungiftig, gilt aber als wenig schmackhaft. Es kursieren Rezepte, nach denen sie wie gegrillte Hähnchenflügel schmecken soll. Es kommt also manchmal auf die Art der Zubereitung an, um aus wenig Schmackhaftem etwas Leckeres zu kreieren.
Wie die Krause Glucke fallen auch die Riesenboviste (Calvatia gigantea) durch ihre schiere Größe, aber auch wegen ihrer weißen Farbe auf. Auf Wiesen und Rasenflächen sind sie schon aus größerer Entfernung zu erkennen. In Parkanlagen oder bewohnter Umgebung haben sie oft kein langes Leben. Kinder spielen gern Fußball mit ihnen.
In der Tat erreichen sie oft Fußballgröße und mehr, sind rund wie Kugeln oder kissenförmig. Laut Wikipedia hatte das größte je gefundene Exemplar einen Durchmesser von mehr als einem Meter, das schwerste ein Gewicht von über 20 Kilogramm gehabt! Für die Küche geeignet sind sie nur solange sie noch reinweiß und festfleischig sind. Die Fruchtmasse färbt sich bald oliv bis dunkelbraun und zerfällt dann zu pulverigem braunem Sporenstaub.
Rezeptvorschlag für Riesenboviste: in relativ dünne Scheiben schneiden, mit gehobelten Mandeln spicken, jeweils zwei mit den Mandeln nach innen zusammenklappen, panieren und nach persönlichem Geschmack gewürzt braten. Die Mandeln geben dem Pilzschnitzel einen angenehmen Biss.
Verwechselt werden könnten sie allenfalls mit Hasenbovisten (Bovistella utriformis), die aber längst nicht so groß werden und eine kleinfelderige Haut besitzen. Auch sie wachsen auf Wiesen und sind ebenfalls essbar.
Pfifferlinge kennt wohl jeder und der Vergleich eines Fundes mit einem Foto sollte für klare Verhältnisse sorgen. Was so aussieht wie ein Pfifferling ist auch einer! Allerdings nehmen es die meisten Speisepilzsammler mit der exakten Artbestimmung nicht so genau. Es gibt mehrere Pfifferlingsarten, die auf den ersten Blick oft kaum auseinanderzuhalten sind. Da gibt es feine Unterschiede in Form, Konsistenz und Farbe, wie die nachfolgenden Fotos zeigen:
„Echte“ Pfifferlinge (Cantharellus cibarius) sind stämmig, robust und festfleischig. Samtige Pfifferlinge (Cantharellus friesii) haben dünneres Fleisch, der Hutrand ist elastischer und flatteriger. Der Blasse Pfifferling (Cantharellus pallens) ist heller als der „Echte“, der farbliche Unterschied aber nicht immer so deutlich wie auf den obigen Abbildungen. Der Amethyst-Pfifferling (Cantharellus amethysteus) unterscheidet sich von der Typusart durch violettliche Schüppchen auf dem Hut und weißlich bereifte Stiele. Diese Unterschiede sind auch im Rahmen der Variabilität vieler Pilze oft kaum wahrnehmbar und für den Speisepilzsammler ohne Belang. Alle diese Pfifferlingsarten sind ausgezeichnete Speisepilze!
Um mit ihnen besser klarzukommen, sollte man wissen, dass Pfifferlinge an der Hutunterseite keine Lamellen sondern Leisten haben. Die Lamellen der Blätterpilze (zum Beispiel beim Fliegenpilz oder Champignon) sind sehr dünne aber relativ breite Blättchen, die in ihrer Struktur völlig anders beschaffen sind als das Hutfleisch. Leisten dagegen sind dickliche Ausbuchtungen des Hutfleischs, wie die nachstehende schematische Darstellung verdeutlicht:
Wem dieser Unterschied verständlich und geläufig geworden ist, wird auch keine Probleme haben, den „echten“ vom Falschen Pfifferling (Hygrophoropsis aurantiaca) zu unterscheiden. Man braucht sie nur wie oben dargestellt durchzuschneiden und die Schnittflächen zu vergleichen!
Mit diesem angewandten Wissen sollten Verwechslungen mit dem Falschen Pfifferling (Hygrophoropsis aurantiaca) zu vermeiden sein. Dieser gehört zu den Pilzen mit Lamellen und ist nicht im Entferntesten mit den „echten“ Pfifferlingen verwandt. Auch er ist essbar aber längst nicht von der Qualität des „echten“. Beim Verzehr größerer Mengen soll er bei Personen mit empfindlichem Magen sogar schon leichte Unverträglichkeiten verursacht haben.
Da wir inzwischen bei den Leistlingen und Pfifferlingen angekommen sind, soll der Trompetenpfifferling (Cantharellus tubaeformis) nicht unerwähnt bleiben. Auch er ist ein ausgezeichneter Speisepilz, bei genauem Hinschauen an seinen Leisten gut erkennbar, dazu in geeigneten Biotopen überaus häufig. Wesentliche Unterschiede: die Hüte sind in der Mitte trichterig vertieft und bräunlich, die Stiele länger, dünner und meist hohl, manchmal bis in den Hut hinein, sodass man hindurchschauen kann und der Vergleich mit einer Trompete nachvollziehbar ist.
Auch unter den Röhrlingen gibt es Arten, die man schon aus einigen Metern Entfernung zweifelsfrei erkennen kann. Am eindeutigsten den Strubbelkopfröhrling (Strobilomyces strobilaceus). Manche behaupten, er sei essbar. Das stimmt insofern, als er nicht giftig ist. Ich hab ihn mal probiert und finde, er schmeckt etwa so wie er aussieht. Er ist nicht gerade häufig, aber man wird ihm gelegentlich schon mal begegnen und man weiß dann sofort, mit wem man es zu tun hat.
Die Parasitischen Röhrlinge (Xerocomus parasiticus) erkennt man zweifelsfrei daran, dass sie direkt an oder auf Kartoffelbovisten wachsen. Obwohl sein Wirt giftig ist, ist es der Röhrling nicht und im Geschmack sicherlich nicht schlechter als ein Rotfußröhrling.
Kaum Anlass zu Verwechslungen bietet auch das Judasohr (Auricularia auricula-judae). Wem der Name nichts sagt, dem möchte ich einen Blick in die Speisekarte eines China-Restaurants empfehlen. Was da als China-Morchel angepriesen und Bestandteil vieler asiatischer Gerichte ist, hat mit Morcheln rein gar nichts zu tun. Es ist unser Judasohr, das an zahllosen Holzarten wächst, am allerhäufigsten an toten Holunderstämmen und -ästen. Dieser Pilz hat in der Tat die Form eines Ohrs. Dank seiner Formenvielfalt, auch was die inneren Falten und Verschnörkelungen betrifft, findet man immer mal wieder Exemplare, die eine verblüffende Ähnlichkeit mit menschlichen Gehörmuscheln haben. Zum Speisewert ist Folgendes zu sagen: Es ist nicht der Geschmack, der das Judasohr zum Speisepilz macht, sondern seine besondere Konsistenz. Beim Verzehr könnte einem der Pilz zwischen den Zähnen wegglitschen. Auf jeden Fall passt er hervorragend in asiatische Wokgerichte.
Zweifel bestehen auch nicht, wenn man bei einem Waldspaziergang in die Nähe einer Stinkmorchel (Phallus impudicus) kommt. Den wissenschaftlichen Name könnte man als Beschreibung ihres Aussehens interpretieren. Die wörtliche Übersetzung lautet tatsächlich „schamloser Penis“. Oft riecht man ihn, bevor man ihn sieht. Mit dem unverkennbaren Geruch lockt die Stinkmorchel, die nicht im Entferntesten mit echten Morcheln verwandt ist, Aasfliegen an, die am schleimigen Kopf naschen und dabei Sporen aufnehmen, die sie mit ihren Ausscheidungen dann in ihrem gesamten Aktionsbereich verbreiten. Eine Strategie, die sich bestens bewährt und auch einem nahen Verwandtem, dem Tintenfischpilz (Clathrus archeri) geholfen hat, sich über weite Teile Europas auszubreiten. Dieser durchaus attraktive aber stinkende Pilz ist aus Neuseeland eingeschleppt worden und an seinen roten krakenartig abgebogenen „Fingern“ zweifelsfrei zu identifizieren.
Wie bei der Stinkmorchel strecken sie sich aus einem am Scheitel aufplatzenden schwabbeligen „Hexenei“. Wenn die Entwicklung im Hexenei schon fortgeschritten ist, lassen sich bereits in diesem Stadium die beiden Arten leicht auseinanderhalten (siehe obige Fotos).
Das weiße Innere im Hexenei der Stinkmorchel ist übrigens roh essbar!
Pilzkurs für Einsteiger (1)
Pilzkurs für Einsteiger (2)
Literatur:
https://www.dgfm-ev.de/pilz-des-jahres/2022-fliegenpilz
https://www.dgfm-ev.de/pilz-des-jahres/2017-judasohr
https://www.dgfm-ev.de/pilz-des-jahres/2020-gewoehnliche-stinkmorchel