Pilzkurs für Einsteiger (2)

von Dieter Gewalt

Wir wissen bereits, was Röhrlinge sind und dass es unter ihnen keine gefährlich giftigen Arten gibt. Ungiftig heißt aber noch lange nicht, dass sie schmackhaft und für die Küche geeignet sind. Eine Geschmacksprobe ist da hilfreich und liefert uns eines von vielen Merkmalen, auf die man beim Bestimmen von Pilzen achten muss. Scharf oder bitter schmeckende sind generell keine Speisepilze und Geschmacksproben sind immer auszuspucken.

Was die Genießbarkeit von Pilzen betrifft, ist eine Grundregel unbedingt zu beachten. Fast alle für den Verzehr geeigneten Pilze sind roh giftig! Nur ganz wenige wie Zuchtchampignons und Steinpilze sind auch ungegart bekömmlich.”

Nicht nur deshalb gehören Steinpilze zu den begehrtesten Speisepilzen. Den wenigsten Pilzsammlern ist aber bewusst, dass es mindestens vier verschiedene gibt. Spielt für die Küche auch keine Rolle, denn sie sind alle gleichwertig essbar und lecker.

Gemeiner Steinpilz --- Sommersteinpilz --- Schwarzhütiger Steinpilz --- Kiefernsteinpilz

Merkmale, an denen man die vier mitteleuropäischen Steinpilzarten unterscheiden kann:
Gemeiner Steinpilz (Boletus edulis): meist speckig glänzende, zum Rand hin aufgehellte Huthaut; heller Stiel mit feiner weißer Netzzeichnung im oberen Teil; bei Fichten, Buchen
Sommersteinpilz (Boletus reticulatus): Huthaut trocken, fast samtig bis filzig-schorfig; Stiel blass bräunlich, meist vollständig genetzt; bei Eichen
Schwarzhütiger Steinpilz, Bronzeröhrling (Boletus aereus): Huthaut dunkelbraun bis fast schwarz; Stiel hellbraun, kaum genetzt, eher marmoriert längsstreifig; bei Eichen
Kiefernsteinpilz (Boletus pinophilus): Huthaut dunkelbraun mit rötlichen Nuancen; Stiel bräunlich bis rotbraun mit unauffälliger Netzzeichnung; bei Kiefern

Steinpilze gehören zu den Dickröhrlingen, die früher in einer einzigen Gattung (Boletus) zusammengefasst waren und nicht immer leicht voneinander zu unterscheiden sind. Ein einziger unter ihnen muss als Giftpilz bezeichnet werden: der Satansröhrling. Umgebracht hat er allerdings noch keinen. Seine Wirkung: schnell einsetzender Brechdurchfall, starke Magen- und Darmbeschwerden. Wenn die akuten Symptome überstanden sind, bleiben keine Folgeschäden zurück. Und da wir gerade dabei sind, soll auch auf den zweiten giftigen Röhrling hingewiesen werden. Der Schönfußröhrling ist allerdings nur leicht giftig. Er kann bei Personen mit empfindlichem Magen relativ harmlose Verdauungsstörungen verursachen.

Satansröhrling --- Schönfußröhrling

Beide Arten sind selten und vielen Pilzfreunden noch nie begegnet. Sie sehen sich auch ähnlich, wie die obigen Fotos zeigen. Ihre wesentlichen Merkmale sind:
Satansröhrling (Boletus satanas): stattlicher Pilz mit kalkweißen, grauen oder olivgrauen Hüten, jung gelben, dann roten Poren, meist nur kurzer knolliger Stiel, ebenfalls mit Rottönen, Geruch vor allem im Alter unangenehm; wärmeliebend, gern bei Buchen
Schönfußröhrling (Boletus calopus): lehmgrauer bis graubräunlicher Hut, Röhren gelb, Stiel auf gelbem Grund rot genetzt, Fleisch und Röhren blauend, Geschmack bitter; gern bei Fichten

Der Satansröhrling liebt kalkhalige Böden. Seine Seltenheit ist auch dadurch bedingt, dass es in Deutschland weit mehr saure und sandige als kalkhaltige Böden gibt. Der Schönfußröhrling ist eher in höheren Lagen zu finden, im Flachland extrem selten.

Gallenröhrling

Wesentlich häufiger werden Steinpilze mit dem Gallenröhrling (Tylopilus felleus) verwechselt. Allerdings nur in Nadelwäldern. Da er Mykorrhizapartner von Kiefern ist, kann er auch bei eingestreuten Kiefern im Laubwald vorkommen. Ausgewachsen ist er leicht zu erkennen. Seine jung weißen Röhren färben sich später rosa, bei den Steinpilzen werden sie gelblich/grünlich. Ganz junge Sommersteinpilze und Gallenröhrlinge sind, solange beide noch weiße Röhren haben, optisch nicht zu unterscheiden. Da hilft eine Geschmacksprobe, bei der sich der Gallenröhrling sofort durch seine Bitterkeit verrät. Oft reicht schon ein Lecken am angeschittenen Pilzfleisch.

Zur Verwandtschaft der Steinpilze gehören auch die Hexenröhrlinge, die wir unbedingt kennenlernen sollten. Der Name läßt (wie beim Satansröhrling) nichts Gutes vermuten, ebensowenig die geradezu abschreckende Blauverfärbung beim Anschneiden. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Viele Pilzfreunde, die sie schon in der Pfanne gehabt haben, schätzen sie sogar höher ein als Steinpilze.

Flockenstieliger Hexenröhrling --- Netzstieliger Hexenröhrling

Beide sind robuste Pilze im Steinpilzformat, ihr Schwamm hat jedoch rote bzw. eher orangefarbene Poren. Der Hut des Flockenstieligen Hexenröhrlings (Boletus erythropus) ist schön dunkelbraun, der des Netzstieligen Hexenröhrling (Boletus luridus) heller braun. Der Stiel des Flockenstieligen ist fein flockig und rot, der des Netzstieligen mit einem roten Netz bekleidet. Die roten Poren gehören dem Flockenstieligen, die eher orangefarbenen dem Netzstieligen. Damit sind beide leicht und auf einen Blick voneinander zu unterscheiden.

Wir werden die beiden nie beieinander finden, denn sie haben unterschiedliche ökologische Ansprüche. Wo sich der eine wohlfühlt, kann der andere nicht gedeihen. Der Flockenstielige Hexenröhrling benötigt saure sandige Böden, der Netzstielige kalkhaltige. Darum ist der Netzstielige auch öfters in bebauten Arealen und sogar in Großstädten zu finden, hier gern in Parkanlagen oder Friedhöfen, in denen Düngung und Bautätigkeit einen Kalkeintrag in den Boden bewirkt.

Beide sind wie schon gesagt hervorragende Speisepilze, der Netzstielige mit einer kleinen Einschränkung. Viele Menschen leiden unter individuell höchst unterschiedlichen Lebensmittelallergien. Im Falle des Netzstieligen Hexenröhrlings kann es bei vorherigem, gleichzeitigem oder späterem Alkoholgenuss zu allergischen Symptomen kommen. Der kritische Zeitraum beträgt ca. einen Tag vor bis einen Tag nach dem Pilzgericht. Mit anderen Worten: eine allergische Reaktion kann eintreten, wenn Alkohol und Netzstieliger Hexenröhrling im Magen zusammnetreffen.

Es gibt weit mehr als nur die genannten Dickröhrlingsarten, in Mitteleuropa etwa 40. Sie sind alle mehr oder weniger selten, mehrere sogar extrem selten. Bevor wir einige davon vorstellen (das wird in einem späteren Pilzkurs geschehen), wenden wir uns den häufigsten Rörlingsarten zu.

Da wäre vor allem der am meisten und gern gesammelte Maronenröhrling zu nennen, bei dem allerdings nicht immer auf „Sortenreinheit“ geachtet wird. Ich habe schon oft in mit vermeintlichen „Maronen“ gefüllte Sammelkörbe geschaut und darin ein Konglomerat verschiedenster Röhrlingsarten gesehen. Auch in der Pilzberatung werden mir immer wieder Rotfußröhrlinge oder Ziegenlippen als vermeintliche Maronen vorgelegt. Solche Unachtsamkeiten bleiben in der Regel ohne Folgen. Was da mit Maronenröhrlingen verwechselt oder für solche gehalten wird, ist ebenfalls essbar, wenn auch nicht so schmackhaft wie Maronen.

Maronenröhrling --- Rotfußröhrling --- Zigenlippe

Früher gab es in unseren Pilzbüchern einen Rotfußröhrling und eine Ziegenlippe. Heute sind beide in eine Vielzahl unterschiedlicher Arten aufgesplittet. Schuld an dieser neuen Vielfalt ist die moderne Gentechnologie. Mittels DNA-Vergleich hat man festgestellt, dass es weit mehr als nur zwei Arten sind. Um sie sicher zu bestimmen, sind Farbreaktionen mit chemischen Reagenzien und nur mit dem Mikroskop erkennbare Merkmale heranzuziehen und dazu muss man auch noch über die erforderliche Literatur verfügen. Für Küchenmykologen kann es bei der bisherigen Artauffassung bleiben.

Der Maronenröhling (Xerocomus badius) hat eine braune Kappe, einen hellbraunen wie marmoriert aussehenden Stiel, seine grünlichen Lamellen blauen auf Druck.
Der Rotfußröhrling (Xerocomus chrysenteron), die mit Abstand häufigste Röhrlingsart, hat eine jung dunkelbraune, dann aufhellende und felderig aufreißende Huthaut, trüb gelbliche Röhren und rot am Stiel.
Die Ziegenlippe (Xerocomus subtomentosus) hat einen olivbräunlichen Hut, lebhaft gelbe Poren und einen hellbräunlichen Stiel ohne rot.

Was den Speisewert betrifft, gibt es eine klare Abstufung, wobei natürlich immer zu berücksichtigen ist, dass Geschmäcker verschieden sind:
Maronenröhrling: sehr gut, wenn auch nicht Steinpilzqualität
Ziegenlippe: gut
Rotfußröhrling: mittelmäßig, aber immer noch gut genug, um ihn als Mischpilz zu verwenden

Literatur:
https://de.wikipedia.org/wiki/Dickröhrlingsartige