Pleurotus ostreatus

Austernseitling

(Jacq.) P. Kumm. 1871
Familie: Pleurotaceae
© Dieter Gewalt
ostreatus = austernartig

Für Gourmets ist er der Winterpilz schlechthin. So manchem hat er schon nach einem weihnachtlichen Waldspaziergang eine leckere Beilage zum Festbraten beschert. In unseren Wäldern besiedelt er mit Vorliebe totes, noch berindetes Buchenholz, egal ob die Stämme noch aufrecht stehen oder am Boden liegen. Clevere Pilzfreunde merken sich bereits im Sommer oder Herbst, wo sie geeignetes Totholz gesichtet haben, um dann im Winter reiche Ernte einzufahren. Mit etwas Glück kann man sogar mitten in einer Großstadt wie Frankfurt fündig werden, wie das nachfolgende Foto von Norbert Kühnberger zeigt. Er fand die eindrucksvolle Gruppe am 13.01.2008 in der Gießener Straße an einem Baumstumpf, vermutlich Silberahorn.

Den meisten Supermarktkunden ist er als Austernpilz bekannt, aber das ist sein Handelsname und die dort angebotene Ware stammt aus Zuchtbetrieben. Korrekt muss er Austernseitling heißen, denn er gehört zur Gattung der Seitlinge. Das erscheint plausibel, denn die Pilze wachsen vorzugsweise seitlich an Holz und haben seitlich am Hut ansitzende verkürzte Stiele mit weit herablaufenden Lamellen. Fruchtkörper, die auf Schnittflächen von Stümpfen wachsen, sind dagegen meist zentral gestielt.

Wenn die Huthaut so deutlich blau- oder stahlgrau gefärbt ist wie auf den Fotos oben, ist die Zuordnung recht problemlos. Das ist nicht immer der Fall. Die Hutfarben können auch blasser sein, und dann ist er optisch kaum von einem nahen Verwandten, dem Lungenseitling Pleurotus pulmonarius, zu unterscheiden, der an den gleichen Laubholzarten vorkommt. Hin und wieder findet man sogar beide am gleichen Stamm.

Unterscheidungsmerkmale Austernseitling / Lungenseitling
Austernseitling
(Pleurotus ostreatus)
Lungenseitling
(P. pulmonarius)
Hut groß, dickfleischig kleiner und dünnfleischig
Hutgröße ca. 100 - 160 x 50 - 110 mm ca. 60 - 120 x 30- 110 mm
Huthaut 90 - 120 µm 40 - 50 µm
Hutrand dick, glatt, fein gewellt oft grob wellig, gilbend
Hutfarbe beige, dunkelbraun, graublau, stahlblau weiß, beige, blass gelb, grau
Lamellen dick, weit auseinander stehend dünn, dicht stehend
Reaktion mit Sulvovanillin rötlich, weinrot, purpur, violett keine Farbreaktion

Wie man sieht, sind die aufgeführten Unterschiede in der Praxis nur schwer nachzuvollziehen, zumal man kaum einmal beide Arten zum Vergleichen in Händen hat. Die Angaben zur Dicke der Huthaut sind im Zehntel-Millimeter-Bereich, also auch nicht gerade hilfreich. Und hellere Austernseitlinge sind farblich kaum von etwas dunkler geratenen Lungenseitlingen zu unterscheiden. Für die Küche ist das ohne Belang, denn beide sind gute Speisepilze von gleicher Wertigkeit.

Ob diese Schnecke weiß, ob sie gerade an einem Austern- oder Lungenseitling genascht hat?

Auch die angeblich unterschiedliche Erscheinungszeit ist kein zuverlässiges Trennmerkmal. In vielen Pilzbüchern heißt es, der Austernseitling benötige zum Wachstum einen Kälteschock und fruktifiziere daher nur in der frostigen Jahreszeit. Das stimmt nicht. Der Winter ist zwar seine Haupterscheinungszeit, er ist aber auch in den warmen Sommermonaten zu finden. Ob es sich bei Sommerfunden um angepasste Sippen oder aus Zuchtbetrieben ausgebüchste Stämme handelt, ist noch nicht ausreichend geklärt.

Bei oberflächlicher Betrachtung wären auch Verwechslungen mit dem essbaren Rillstieligen Seitling (Pleurotus cornucopiae) oder mit dem Gelbstieligen Muschelseitling (Panellus serotinus) möglich, der vor allem von oben betrachtet dem Austernseitling ähnlich sieht und mit ihm zusammen am gleichen Holz vorkommen kann. Ein Blick auf die Unterseite sollte jedoch rasch für Klarheit sorgen. Wie der Name schon sagt, hat letzterer einen eher knubbeligen, auf jeden Fall aber gelben bis ockergelben Stiel. Auch die Lamellen sind nicht reinweiß sondern gelblich. Eine Verwechslung wäre auch hier harmlos, wenngleich der Muschelseitling längst nicht so gut schmeckt wie der Austernseitling.

von links nach rechts: Austernseitling -- Rillstieliger Seitling -- Gelbstieliger Muschelseitling

Bei gekauften Austernseitlingen wird oft die etwas zähe Konsistenz der Pilze bemängelt. Das ist nicht verwunderlich, denn wegen des höheren Profits lässt man in den Zuchtbetrieben die Pilze relativ groß werden. Wer sie in der Natur sammelt und nur junge Exemplare mitnimmt, wird deren Zartheit zu schätzen wissen.

Austernseitlinge kann man auch sehr gut im eigenen Garten oder auf dem Balkon wachsen lassen. Pilzbrut zum Beimpfen von Hölzern oder fertige Substratmischungen werden vielfach im Internet angeboten. Amazon ist natürlich auch dabei, aber Fachkompetenz wird man dort sicher nicht erwarten können.

Weiterführende Literatur:

Alle Fotos, wenn nicht anders angegeben, von Dieter Gewalt.
Zuletzt aktualisiert am 12. August 2020