Phlebia centrifuga

Heidelbeer-Kammpilz

P.Karst.1881
Familie: Meruliaceae
© Dieter Gewalt & Bernd Miggel
Synonym: Phlebia mellea
centrifuga = vom Mittelpunkt wegstrebend
08.10.2022: Waldbereich "Gebranntes Loch" zwischen Dietzenbach und Gravenbruch, TK 5918.4.1

Bei einer pilzkundlichen Führung im Raum Dietzenbach entdeckte ich diesen an Totholz wachsenden merulioiden Pilz, der wegen seiner krass inkarnatroter und ausgefranster Ränder auffällige Merkmale zeigte, aber trotzdem Probleme bei der Bestimmung bereitete. Nachdem Bernd Miggel das Belegexemplar mikroskopisch untersucht hatte, musste eine erste Vermutung, es könnte sich um Byssomerulius incarnatus (eine bisher nur in Nord- und Mittelamerika nachgewiesene Art) handeln, aufgegeben werden. Erschwerend kam hinzu, dass weder Sporen noch Basidien zu finden waren, wir es also offensichtlich mit einem noch unreifen Fruchtkörper zu tun hatten. Ein Hinweis von Christian Weinkötz führte uns schließlich auf die richtige Fährte.

In der Tat scheint die auffällige Rotfärbung an Teilen des Pilzes typisch für ein frühes, möglicherweise kurzes Entwicklungsstadium des Pilzes zu sein. Das erklärt einerseits, dass keine Sporen und Basidien und andererseits im Internet kaum Abbildungen mit dieser Färbung zu finden waren. Auffällig auch, dass die rote Farbe an unserem Fruchtkörper über Nacht verschwunden war und er nun dieses Aussehen hatte:

Makroskopische Merkmale des Fundes:
Mehrere ineinander verwachsene, kreisrunde, bis 15 mm breite Fruchtkörper mit höckerigem Innenbereich und etwas wulstigen, haarig-fransigen Rändern. Im frischen Zustand ist der Innenbereich weiß, der Randbereich intensiv inkarnatrot (ähnlich der Blütenfarbe des Inkarnatklees). Die Wuchsform kann als resupinat bezeichnet werden. Die gesammelten und im Innenraum gelagerten Fruchtkörper verfärbten sich über Nacht total. Der Innenbereich wurde cremefarben, der Randbereich hellbräunlich. Im frischen Zustand ware die roten Bereiche der Fruchtkörper weich und die weißen Innenbereiche hatten in etwa die Konsistenz von Phlebia radiata. In getrockneten Zustand sind die Fruchtkörper hart.

Mikroskopische Merkmale des Fundes:
Das Hyphensystem ist monomitisch, die Hyphen sind glattwandig, hyalin, dünn bis etwas dickwandig, 2-4 µm im Durchmesser und mit einer deutlichen Schnalle an jeder Septe. Zystiden konnten nicht gefunden werden.

Monomitisches Hyphensystem mit einer Schnalle an jeder Septe

Phlebia centrifuga wird in Roten Listen als vom Aussterben bedroht geführt. In der Verbreitungskarte der Deutschen Gesellschaft für Mykologie sind nur sehr wenige Funde vermerkt, etwas gehäuft lediglich im Bayerischen Wald. Der deutsche Pilzname Heidelbeer-Kammpilz erscheint mir kaum nachvollziehabr zu sein. Weder Form noch Farbe und schon gar nicht der Geschmack haben etwas mit Heidelbeeren zu tun.

Belege (Exsikkate) sind hinterlegt in den Fungarien KR (Staatl. Museum für Naturkunde Karlsruhe), STU (Staatl. Museum für Naturkunde Stuttgart), TUF (Universität Tartu, Estland)

Weiterführende Literatur:

Alle Fotos, wenn nicht anders angegeben, von Dieter Gewalt & Bernd Miggel.
Zuletzt aktualisiert am 19. Oktober 2022