Leucopaxillus giganteus

Riesenkrempentrichterling

(Sowerby) Singer 1939
Familie: Tricholomataceae
© Dieter Gewalt
Synonym: Aspropaxillus giganteus
giganteus = riesig

Am 27. Oktober 2022 informierte mich Dietrich Schiebler über den Fund eines ihm unbekannten Pilzes, den er auf einer Wiese bei Heusenstamm-Rembrücken entdeckt hatte. Er beschrieb ihn als riesengroß und vermutete, dass es nicht allzu viele Arten mit so enormen Hutdurchmessern geben dürfte und daher leicht zu bestimmen wären. Es liegt auf der Hand, dass man in einem solchen Fall den Riesenkrempentrichterling Leucopaxillus giganteus in Betracht ziehen muss.

Beim Ortstermin fiel mir sofort auf, dass die Pilze in einem ausgedehnten Hexenring mit einem Durchmesser von ca. 55 m in Knäueln mit 4 - 8 Exemplaren wuchsen und die größten bis zu 60 cm Hutdurchmesser hatten, gemessen in waagerechter Linie von Hutrand zu Hutrand und nicht im Verlauf der zum Teil sehr tiefen Eintrichterung. Sie brachten beachtliche 1800 bis 2000 Gramm auf die Waage. Auffallend auch die welligen und eingeschnittenen Hutränder, ein Merkmal, das bei allen der mehr als 60 Fruchtkörper deutlich ausgeprägt war und keineswegs als typisch für Riesenkrempentrichterlinge beschrieben wird.

Die Hüte waren weiß, cremefarben bis hell bräunlich mit braunen, oft radial angeordneten Flecken. Die Lamellen waren weiß bis cremefarben, dicht gedrängt stehend, mitunter gegabelt und mit kürzeren untermischt und weit an den überwiegend sehr kurzen, knollig verdickten Stielen herablaufend, die meist mit weißem Myzelfilz überzogen waren. Sporenpulver weiß.

Betrachtet man die Abbildungen in der Literatur und im Internet, so sieht man ganz überwiegend Fotos von Pilzen mit geraden Rändern, mitunter auch mit relativ langen Stielen. Dazu den Hinweis, dass sich der Riesenkrempling vor allem durch einen deutlichen Buckel in der trichterig vertieften Hutmitte vom Mönchskopf Clitocybe (Infundibulicybe) geotropa unterscheidet. Das passt nun so gar nicht zu unserem Fund und lässt die Frage aufkommen, ob es sich hier tatsächlich um Riesenkrempentrichterlinge gehandelt hat.

Zur Klärung mussten also Mikromerkmale herangezogen werden, die von Frank Kaster und Bernd Miggel ermittelt wurden: Sporen ellipsoid, dünnwandig, glatt, hyalin, amyloid, 6,5 - 6,8 x 3,9 - 4,1 µm, Q = 1,6 - 1,7 (Miggel) bzw. “innerhalb der von Erhard Ludwig angegebenen Maße von 6 - 8,5 x 4 - 5,5 µm” (Kaster). Basidien 4-sporig, Lamellentrama regulär, Septen vereinzelt mit Schnallen. Hutdeckschicht eine Kutis, Hyphen dünnwandig mit Schnallen, ∅ 3 - 10 µm, zahlreich vorhanden. Zystiden: keine gesehen.

Huthaut in SDS-Kongorot (Mikrofoto: Bernd Miggel)
Basidien -- Sporen in Melzers Reagens (2 Mikrofotos: Frank Kaster)

Die festgestellten Mikromerkmale sprechen also durchaus für Leucopaxillis giganteus, der angesichts des beeindruckenden Vorkommens bei Heusenstamm-Rembrücken die Namen “gigantisch” und “Riesen-“ wahrlich verdient.

Natürlich wurden auch Geschmacksproben gemacht. Am rohen Pilz (wieder ausgespuckt) war er mild bis etwas bitter, in der Pfanne gebraten von mäßiger Qualität und daher nicht unbedingt empfehlenswert. Erhard Ludwig gibt ihn mit Vorbehalt als essbar an. Er wird als Vitalpilz eingestuft und soll antibiotisch wirken. Die mit mehreren Personen vorgenommenen Geruchstests fielen recht positiv aber unterschiedlich aus, von pilzig, nussig bis bittermandelartig. Der Pilz gilt als selten und kommt besonders in nicht überdüngten Wiesen und Lichtungen, an Wegrändern und Straßenböschungen vor, in höheren Lagen häufiger als im Flachland.

Weiterführende Literatur:

  • Erhard Ludwig: Pilzkompendium 1, Seite 264; Bildband Seite 78
Alle Fotos, wenn nicht anders angegeben, von Dieter Gewalt.
Zuletzt aktualisiert am 1. November 2022