Geoglossum cookeanum

Trockene Erdzunge

Nannf. 1942
Familie: Geoglossaceae
© Thomas Lehr
cookeianum = zu Ehren des englischen Mykologen M. C. Cooke
17.11.2004 Kalkbruch Flörsheim Exs. 2004/11.5b
Einleitung

Zu den bemerkenswerten Pilzen im Flörsheimer Kalkbruch gehört die Trockene Erdzunge Geoglossum cookeianum, eine nicht sehr häufige Art, die typisch für trockene Magerrasen ist. Sie wächst hier im Spätherbst an vielen Stellen in größeren Trupps mit z. T. mehr als 50 Fruchtkörpern. Damit ist diese Erdzunge geradezu als Charakterpilz dieses Biotops zu bezeichnen. In den kurzrasigen Magerwiesen werden meist relativ kurze, oft nur 4 – 5 cm hoch werdende Exemplare ausgebildet, so dass man die Art trotz der großen Fruchtkörperzahl leicht übersehen kann. Hat sich das Auge aber erst einmal darauf eingestellt, entdeckt man überall Gruppen von Geoglossum cookeianum, wie auf der Abbildung unten zu sehen ist. Auf der gleichen kleinen Rasenfläche ist übrigens auch der Zitzen-Stielbovist Tulostoma brumale gefunden worden, der in einem anderen Fundkorb-Pilzporträt vorgestellt wird. Erdzungen sind sich makroskopisch alle sehr ähnlich und können daher nur mit Hilfe des Mikroskops sicher unterschieden werden.

Makroskopische Beschreibung

Fruchtkörper unterschiedlich geformt, häufig mit deutlich unterscheidbarem, zylindrisch-schmalem Stiel- und verbreitertem Kopfteil (nur dort werden Sporen gebildet, der „Stiel“ bleibt steril), aber auch weniger differenziert keulenförmig oder spatelig, oft verdreht oder unregelmäßig verwachsen bis tief gefurcht; jung (dunkel-)braun, bald schwarz werdend; 25 bis 70 mm lang, Kopfteil 7 – 13 mm breit und 2 – 4 mm dick; trocken, glatt, alt oft fein gefurcht und kleiig, am Stielteil auch feinschuppig.

Mikroskopische Beschreibung

Asci 160 – 200 x 15 – 20 µm, achtsporig, lugolpositiv; Sporen glatt, keulig bis wurmförmig, teilweise leicht gebogen, reif fast immer mit sieben Septen, 60 – 85 x 5,4 – 6,8 µm, unreif auch wesntlich kürzer, aber oft sehr breit (30 – 45 x 7,5 – 8,8 µm ) und nur mit fünf oder sechs Septen; jung hyalin, bald braun gefärbt; Paraphysen wenig über die Asci hinausragend, fadenförmig bis zylindrisch, in den Endgliedern mehr oder weniger deutlich braun pigmentiert, diese sehr verschiedenartig geformt, typischerweise aus engseptierten, rundlichen bis blasigen Gliedern bestehend, die wie eine Perlenkette aneinandergereiht sind und an den Septen oft wie eingeschnürt erscheinen, 3 – 10 x 4 – 8 µm (Abb. 4a u. 4b), in der untersuchten Kollektion aber häufiger bizarr geformte „Entenkopfzellen“ mit einer aufgeblasen-bogigen „Scharnierzelle“, an die sich ein oder zwei rundliche, blasige oder längliche „Schnabelzellen“ anschließen, auch bei diesen Endgliedern aber eng septiert, so dass der Abstand zwischen Paraphysenspitze und dritter Septe kaum einmal 40 µm übersteigt, sondern meistens zwischen 15 und 30 µm liegt.

Bestimmung

Alle Erdzungen lassen sich im Grunde genommen nur mikroskopisch bestimmen, auch wenn das äußere Erscheinungsbild gelegentlich bereits gute Hinweise auf die zu bestimmende Art geben kann. So sollte man vor allem die Beschaffenheit der Stieloberfläche beobachten, da etwa auffällige, in Bändern angeordnete Schüppchen auf die Täuschende Erdzunge Geoglossum fallax hindeuten oder schmieriger, trocken wie lackiert wirkender Stiel die Klebrige Erdzunge G. gelatinosum vermuten lässt. Entscheidend ist aber die Untersuchung der Mikromerkmale, für die man sich einige Zeit nehmen muss, da die Variabilität innerhalb einer Kollektion oft beachtlich ist.

Zunächst gilt es dabei, die Sporen in den Blick zu nehmen. Hier ist es erstaunlich, wie stark Sporengröße und teilweise auch -form in ein- und demselben Präparat variieren können. Für G. fallax etwa hat KASPAREK (1996) hierauf nachdrücklich hingewiesen. Insbesondere wenn man nicht ausgereifte Sporen mit einbezieht, ergibt sich auch, vor allem bei der Sporenlänge, ein breites Spektrum bei G. cookeianum, das von 30 bis 85 µm reicht. Immerhin deutet es nach BENKERT (1976) bereits auf G. cookeianum hin, dass keine der 30 gemessenen Sporen länger als 90 µm war. Eine wirkliche Zuordnung zu einer Art kann aber nur über die Beobachtung der Paraphysen und ihrer Endglieder erfolgen. Diese sterilen Zellen zwischen den Asci, die im übrigen auch den Stielteil überziehen, können bei den verschiedenen Erdzungen sehr unterschiedlich geformt sein. Die Endglieder können rundlich, birnenförmig, blasig, schneckenförmig oder verschiedenartig gekrümmt sein. Neben der Form darf seit dem Aufsatz von BENKERT auch die Dichte der Septierung als wichtiges Differenzierungsmerkmal gelten. G. cookeianum zeichnet sich – unabhängig davon, ob „Perlenketten“- oder „Entenkopfzellen“ gemessen werden – durch eine sehr enge Septierung aus, wie man sie ansonsten höchstens bei G. simile findet, das sich aber durch charakteristische „Doppelzellen“ unterscheidet, die entstehen, da nur jede zweite Septe eingeschnürt erscheint.

Bis zur schon genannten Arbeit von BENKERT wäre es allerdings nicht leicht gewesen, eine Kollektion, wie sie hier vorgestellt wird, eindeutig zu bestimmen, da sich die typischen „Perlenkettenendglieder“, die schon vom Erstbeschreiber der Art Johan A. Nannfeldt beschrieben und gezeichnet wurden (NANNFELDT [1942]), nur nach einiger Suche auffinden ließen. Viel häufiger waren hier ungewöhnlich verbogene Paraphysen, bei denen man zuerst eher an andere Arten, etwa an G. barlae oder G. umbratile (vergl. etwa SPOONER [1987] Figur 3 E als G. umbratile) denkt. G. umbratile bildet aber nie d e r a r t eigentümlich geformte Endglieder aus, und G. barlae ist – wie BENKERT (1994) zeigen konnte – nichts anderes als Geoglossum cookeianum.

Ganz in Übereinstimmung mit meinen eigenen Beobachtungen schreibt er 1976 über diese cookeianum-Zellen: „Ihrer charakteristischen Form wegen habe ich sie „Entenkopfzellen“ genannt, in Verbindung mit der keuligen Endzelle („Schnabelzelle“) ensteht oft verblüffende Ähnlichkeit mit karikierten Entenköpfen. […] Die Gestaltung ist im einzelnen äußerst vielfältig und bizarr.“

Die enge Septierung auch dieser Endglieder sowie das vereinzelte Vorkommen typischer Paraphysen verweist letztlich klar auf G. cookeianum. Darüber hinaus lassen sich alle möglichen Mischungsverhältnisse beobachten: Es gibt Kollektionen, bei denen die „Entenköpfe“ überwiegen und nur vereinzelt „Perlenketten“ vorkommen. Es ist aber auch das Gegenteil möglich und alle denkbaren Zwischenstufen. Daher ist davon auszugehen, dass all diese Formen zu der einen, variablen Art G. cookeianum gehören. Auch hier stimmen meine eigenen Beobachtungen im übrigen mit denen BENKERTs (1996) überein. Im Gegensatz zu ihm konnte ich aber nur sehr vereinzelt beobachten, dass die Paraphysen mit „brauner Kittmasse“ verklebt waren, wobei auch hier eine unterschiedliche Intensität von Kollektion zu Kollektion zu konstatieren ist.

Verbreitung und Ökologie

Wie bei so vielen Ascomyceten ist es nicht ganz leicht, verlässliche Angaben über Verbreitung und Ökologie der Trockenen Erdzunge zu erhalten. Maßgeblich ist eigentlich immer noch die im Verbreitungsatlas (KRIEGLSTEINER [1993]) abgedruckte Karte. Sie weist G. cookeianum – wie alle Erdzungen – als seltene Art aus, mit 36 Fundpunkten für West-Deutschland, wobei für Hessen zum damligen Zeitpunkt noch überhaupt keine Meldung vorlag. Einen auffälligen Verbreitungsschwerpunkt bilden danach eigentlich nur die Ostfriesischen Inseln, was im übrigen durch die Angaben bei LÜDERITZ (2001) bestätigt wird, der für die Küsten und Inseln Schleswig-Holsteins angibt: „derzeit nicht als gefährdet anzusehen“. In der Roten Liste der gefährdeten Großpilze Deutschlands (1992) wird die Art als „gefährdet“ geführt und in vielen Bundesländern, so etwa in Niedersachsen (WÖLDECKE [1998]) und sicher auch in Hessen, muss sie als stark gefährdet gelten, da die Standorte, die sie bevorzugt, immer seltener werden.

Es handelt sich um nährstoffarme, offene „Grasflurgesellschaften“ (BENKERT), in denen neben G. cookeianum oftmals verschiedene andere Erdzungen, aber auch Saftlinge, Rötlinge und Wiesenkeulen gefunden werden können.

Die Trockene Erdzunge scheint allerdings kein spezifischer Kalkzeiger zu sein, sondern sich im wesentlichen bodenvag zu verhalten, d. h. dass sowohl saure als auch basische Böden besiedelt werden, wobei die anderen, mir bekannten Standorte auch in ehemaligen Kalkbrüchen liegen: bei Wertheim am Main nämlich, wo ich den Pilz vor einigen Jahren zusammen mit Roman Krettek gefunden habe, und bei Mudershausen in der Nähe von Limburg.

Interessant ist auch eine Bemerkung von BENKERT, der schreibt: „In den Niederlanden ist G. cookeianum nach MAAS-GEESTERANUS (1964) charakteristisch für kalkreiche Dünen mit von Kaninchen kurz gehaltenem, stark moosigem Gras. An derartigen extremen Standorten ist G. cookeianum daher oft ohne Vergesellschaftung mit anderen Geoglossum-Arten anzutreffen“. Diese Beobachtung könnte auch für den Magerwiesen-Standort am Flörsheimer Kalkbruch zutreffen, da dort ganz ähnliche Bedingungen herrschen und ich noch keine weiteren Erdzungen zusammen mit G. cookeianum finden konnte. Lediglich an einer anderen, deutlich feuchteren Stelle einige Hundert Meter entfernt, wurde einmal auch G. umbratile beobachtet. Hier gilt es aber in jedem Fall in Zukunft nach weiteren Geoglossum-Arten Ausschau zu halten.

Literatur

BENKERT, D. (1976): Bemerkenswerte Ascomyceten der DDR II – Die Gattungen Geoglossum und Trichoglossum in der DDR, in: Myk. Mittlgsbl. 20 S. 47-9
BENKERT, D. (1991): Verbreitungskarten von Geoglossaceen in der DDR, in: Gleditschia 19, 1991, 203-234
BENKERT, D. (1996): Zur Variabilität der Paraphysen in der Gattung Geoglossum: was ist Geoglossum barlae?, in: Feddes Rep. 107, S. 269-276
BREITENBACH, J. & F. KRÄNZLIN (1984): Pilze der Schweiz Bd. 1 – Luzern, S. 130
DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR MYKOLOGIE u. NATURSCHUTZBUND DEUTSCHLAND (Hg.) (1992): Rote Liste der gefährdeten Großpilze Deutschlands – Eching. S. 28
IRLET, B. (1984): Ein Beitrag zur Discomycetenflora der alpinen Stufe der Schweizer Alpen, in: Mycologia Helvetica 1, S. 129-143, hier S. 130 f. u. 140
KASPAREK, F. (1996): Die täuschende Erdzunge, in: Der Tintling 1,3, S. 17-18
KRIEGLSTEINER, G. J. (1993): Verbreitungsatlas der Großpilze Deutschlands (West), Bd. 2: Schlauchpilze – Stuttgart S. 250
LEHR, T. (2005): Von Entenköpfen und Perlenketten. Die ungewöhnlichen Paraphysn der Trockenen Erdzunge Geoglossum cookeianum Nannf., in: Südwestdeutsche Pilzrundschau 41/2, S. 42-47 (hier handelt es sich um eine etwas geänderte Fassung des vorliegenden Artikels)
LÜDERITZ, M. (2001): Die Großpilze Schleswig-Holsteins – Rote Liste Bd. 1 – Kiel S. 61
MAAS-GEESTERANUS, R. A. (1964): De Fungi von Nederland I. Geoglossaceae – aardtongen, in: Wetensch. Med. K. Nederl. Nautur. Ver. 52, S. 1-24
NANNFELDT, J. A. (1942): The Geoglossaceae of Sweden (with regard also to the Surrounding Countries), in: Arkiv för Botanik 30 A, S. 1-67
SPOONER, B. M. (1987): Helotiales of Australasia: Geoglossaceae, Orbiliaceae, Sclerotiniaceae, Hyaloscyphaceae (Bibliotheca Mycologica 116) – Berlin u. Stuttgart, v. a. S. 82-117
WÖLDECKE, K. (1998): Die Großpilze Niedersachsens und Bremens – Hannover. S. 199

Alle Fotos, wenn nicht anders angegeben, von Thomas Lehr.
Zuletzt aktualisiert am 3. August 2020