Vogelnestpilze

von Dieter Gewalt
Nidularia deformis - Vollgestopfter Nestling (Foto: Thomas Lehr)

Man hat noch keine brütenden Vögel auf ihnen sitzen gesehen, aber es gibt sie wirklich, diese Vogelnestpilze. Während sie im angelsächsischen Sprachraum den schönen und ihr Aussehen bildhaft beschreibenden Namen “Bird´s Nest Fungi” tragen, werden bei uns zumindest die häufigen Arten Teuerlinge genannt. Die etwas unverständlich erscheinende Bezeichnung stammt aus dem Mittelalter, als man anhand der Anzahl in ihnen liegender Peridiolen glaubte, auf Teuerungszeiten schließen zu können. Immerhin heißt auch bei uns die Gattung Nidularia “Nestlinge”.

Es ruft immer wieder Erstaunen hervor, wenn man mykologisch weniger erfahrene Naturfreunde auf einen Fund kleiner Teuerlinge aufmerksam macht. “Das sollen Pilze sein?” bekommt man dann desöfteren zu hören und weist an ihrem Beispiel auf den Formenreichtum dieser Organismen hin. Um sie zu finden, muss man nur die Augen offen halten. Sie wachsen auf totem Holz oder Pflanzenresten, gern an Wegrändern oder auf gemulchten Flächen. Sehr selten ist hingegen der mit ihnen verwandte Vollgestopfte Nestling Nidularia deformis. Im Gegensatz zu den Teuerlingen mit ihren ordentlich geformten Tütchen und Töpfchen sehen seine Fruchtkörper eher wie aufgeplatzte Kartoffelsäcke aus - nur eben im Miniformat. Sie sind winzig klein, erreichen oft nicht einmal eine Breite von einem Zentimeter. Die Peridiolen (das sind die linsenförmigen Gebilde im Inneren der Fruchtkörper, in denen die Sporen gebildet werden) haben lediglich einen Durchmesser von etwa einem Millimeter.

Die zu den Bauchpilzen gehörige Familie der Nestlingsartigen (Nidulariaceae) besteht in Mitteleuropa aus drei Gattungen mit insgesamt fünf Arten, die sich problemlos makroskopisch unterscheiden lassen. Um das nachvollziehen zu können, sei hier ein einfach zu handhabender Bestimmungsschlüssel angefügt:

1 Fruchtkörper napf-, tönnchen-, schüssel- oder tütenförmig 2
1* Fruchtkörper kugelig oder kissenfömig, unregelmäßig aufreißend Nidularia deformis
2 Peridiolen hell bis gelblich braun, Deckelhäutchen gelb Crucibulum laeve
2* Peridiolen hellgrau, dunkelgrau oder schwarz 3
3 Fruchtkörper innen längs gestreift Cyathus striatus
3* Fruchtkörper innen glatt 4
4 Fruchtkörper schüssel- oder topfförmig, Peridiolen grau Cyathus olla
4* Fruchtkörper tütenförmig, Peridiolen schwarz Cyathus stercoreus
(Fotos: Nidularia deformis, Cruibulum laeve von Thomas Lehr; die drei Cyathus-Arten von Dieter Gewalt)

Der Tiegelteuerling Crucibulum laeve ist nach dem Gestreiften Teuerling die zweithäufigste Art dieser Gruppe und leicht an ihrem gelben Deckelhäutchen (Epiphragma) zu erkennen. Es reißt im Verlauf des Wachstums auf und gibt den Blick ins Innere der tiegelförmigen Behälter frei. Hier liegen die Peridiolen, in denen die Sporen gebildet werden.

Seltener ist der Topfteuerling Cyathus olla, der anthropogene Standorte bevorzugt. Man findet ihn gelegentlich in Gärten, Parkanlagen, etc., oft scheinbar auf blanker Erde. Seine hellgrauen Fruchtkörper sind innen glatt (ungerieft), die Peridiolen grau.

Tütenförmige Fruchtkörper mit gestreifter Innenseite sind das markante Kennzeichen des Gestreiften Teuerlings Cyathus striatus. Aufmerksam beobachtende Naturfreunde werden ihn bei kaum einem Waldspaziergang vermissen. Selbst im Winter oder Frühjahr, also außerhalb seiner Fruktifikationsperiode, kann man die ausdauernden, dann allerdings leeren Tütchen finden. Es ist die mit Abstand häufigste Art der Nidulariaceae. Sie erscheinen manchmal zu Hunderten auf organischen Substraten wie Totholz, Pflanzenresten oder Mulch.

Laut Literatur und Verbreitungsatlas gilt der Dungteuerling Cyathus stercoreus als ausgesprochen selten. Verbreitungsschwerpunkte scheinen die ostfriesische Nordseeküste und ihre vorgelagerten Inseln, aber auch das Rhein-Main-Gebiet zu sein. Als einziger hat er schwarze Peridiolen. Ausführliche Informationen und Fundmeldungen im Fundkorb.

Gleich vier der hier beschriebenen Arten fand Thomas Lehr am 17.09.2005 an einer einzigen Stelle. Auf einer mit Mist untermischten Rindenmulchfläche an der Lorsbacher Kläranlage (TK 5816.4.3) wuchsen Hunderte von Dungteuerteuerlingen zusammen mit Gestreiften, Topf- und Tiegelteuerlingen.

Alle Fotos, wenn nicht anders angegeben, von Dieter Gewalt.