Mycena filopes

Zerbrechlicher Fadenhelmling

(Bull.) P. Kumm.) 1871
Familie: Mycenaceae
© Bernd Miggel & Johann Rejek
filopes = fadenstielig
28.12.2022, Fichtenforst Eglhauser Holz, Gemeinde Hohenkammer (Landkreis Freising) Foto: Johann Rejek

Das Besondere an diesem Fund von Johann Rejek und Veronika Ziegltrum: die Helmlinge wuchsen, passend zur Advents- und Weihnachtszeit, wie Christbaumschmuck in bis zu 3 m Höhe an mehreren Fichten. Sie waren bereits am 5. Dezember 2022 an gleicher Stelle aufgefallen, insgesamt an mindestens 10 Fichten. Bei einem so beeindruckenden Anblick war natürlich das Bedürfnis groß, dem Fund einen Namen zu geben, was bei manchen Helmlingen schwierig sein kann und nicht leicht zu realisieren war.

Weißfilzig-striegelige Stielbasis -- ca. 20 den Stiel erreichende Lamellen (2 Fotos: Johann Rejek)

Bernd Miggel, der schließlich in die Bestimmungsbemühungen involviert wurde, vermutete die Art in der Mycena-Sektion Filipedes. Zu klären war letztlich, ob es sich um Mycena metata oder filopes handelt. In der uns zugänglichen Literatur fanden wir keinen Hinweis darauf, dass Helmlinge auch in mehreren Metern Höhe in Bäumen reihenweise Fruchtkörper bilden können. Bei Internet-Recherchen stießen wir lediglich auf einen einzigen vergleichbaren Fall, in dem ebenfalls in einer Fichte weit über Grund wachsende Helmlinge aufgefallen waren, die keiner bekannten Art zugeordnet werden konnten. Im pilzforum.eu waren diese faszinierenden Fundbelege zu sehen ….

…. aufgenommen von Helge Schulz im Januar 2021 in einer Fichtenschonung in Schleswig-Holstein. Sie wuchsen auf stark bemoosten wie auch auf unbemoosten dünnen Zweigen und zeigten in UV-Licht eine deutliche Biofluoreszenz. Die maximal 5 cm hohen Pilze hatten eine maximale Hutbreite von 1 cm. Als mögliche Kandidaten wurden von Forumsbesuchern ebenfalls Mycena metata und filopes vermutet.

Bernd Miggel konnte den bayerischen Fund schließlich anhand mikroskopischer Merkmale als Mycena filopes bestimmen, wobei auch die makroskopischen zur Diagnose passten.

Mycena filopes in der Nadelstreu am Boden (Foto: Johann Rejek)
Makroskopische Merkmale:

Hut: bis 12 (-15) mm im Durchmesser, glockig, kegelig, hell graubraun mit dunklerer Mitte, manchmal mit kleinem Buckel; Rand gerieft, Hut in Draufsicht daher am Rand zackig erscheinend
Lamellen: aufsteigend, leicht wellig, am Stiel bogenförmig angewachsen und schwach zähnchenförmig herablaufend, weißlich, untermischt, ca. 20 - 25 Lamellen erreichen den Stiel, Schneiden fein bereift
Stiel: max. 1 (- 1,5) mm Durchmesser, ca. 30 (- 50) mm lang, trocken, glatt, glänzend, Spitze fein bereift und hutfarben, Basis dunkler und etwa wie Hutmitte gefärbt.
Stielbasis weißfilzig-striegelig
Fleisch: im Hut dünn, durchscheinend
Geruch: unauffällig
Geschmack eines Hutes nach längerem Kauen: schärflich, bitterlich und im Hals kratzend. Allerdings hatte der noch recht frisch aussehende Hut einige Tage im Kühlschrank gelegen und war danach noch zwei Tage auf dem Postweg unterwegs gewesen

Mikroskopische Merkmale:
Sporen in Wasser mit wenig Phloxin (alle Mikrofotos von Bernd Miggel)

Sporen: ellipsoid, glatt, hyalin und nach der Fachliteratur amyloid. Maße von 49 repräsentativen Sporen: 7,9 - 10,2 x 4,6 - 5,8 µm (Mittelwert: 8,9 - 9,2 x 5,1 - 5,3 µm)
Basidien: schmalkeulig, z.B. 25 x 7 µm groß, mit vielfach 2, verschiedentlich aber auch 4 Sterigmen. Die Sterigmenzahl scheint auf den ersten Blick keinen Einfluss auf die Sporengröße zu haben. Basidien kommen nur auf der Lamellenfläche vor. Die Schneide ist also steril.
Hyphensystem: monomitisch; die Hyphen etc. haben an den Septen Schnallen
Cheilozystiden: bilden einen dichten Rasen (steriles Band), sind überwiegend verkehrt birnenförmig und meist gestielt. Es kommen aber auch viele sitzende, d. h. ungestielte Cheilozystiden vor. Allgemein kann man sagen, dass ihre Form und auch die igelstachelige Oberflächenstruktur außerordentlich variabel sind. Die Variabilität bezieht sich auch auch die Größe. So wurden an einem einzigen Lamellenschneidenfragment Längen zwischen 10 und 80 µm gemessen

Abb. oben: Cheilozystiden-Rasen -- Abb. unten: Cheilozystiden, typische Formen (in NH3-Kongorot)

Pleurozystiden: Es musste lange gesucht werden, bis auf einem Stückchen Lamellenfläche eine Zystide zu finden war. Sie sind offenbar so selten, dass beim Durchmustern eines Lamellenflächen-Segments nur vier festgestellt werden konnten. Sie sind typischerweise verkehrt birnenförmig mit igeliger Oberfläche und ca. 20 - 30 µm lang

Abb. links: Hyphen der Stielrinde -- rechts: Kaulozystide = angeschwollenes Hyphenende (in NH3-Kongorot)

Stielcortex-Hyphen und Kaulozystiden: Hyphen der Stielrinde schlank mit Ausstülpungen auf einer Längsseite. Einige dieser Hyphen haben angeschwollene Enden (Kaulozystiden). Sie haben ähnliche Gestalt, Größe und Oberflächenstruktur wie die Lamellenzystiden

Verwechslungsmöglichkeiten:

Hier kommt eigentlich nur der Kegelige Helmling Mycena metata in Frage. Dieser unterscheidet sich u. a. durch folgende Merkmale: bei älteren oder getrockneten Fruchtkörpern neigen Hut und Lamellen zum Röten, der Geschmack ist auch nach längerem Kauen mild, vor allem aber: Pleurozystiden sind häufig, Kaulozystiden fehlen.

Weiterführende Literatur:

  • ARONSEN, A. & LÄSSÖE, T. (2016): The genus Mycena s.l. Fungi of Northern Europe, Vol 5: 180-185
  • https://mycena.no/filopes.htm
  • BREITENBACH, J. & KRÄNZLIN F. (1991): Pilze der Schweiz Bd. 3: Nr. 334 (M. filopes), 349 (M. metata)
  • GRÖGER, F. (2006): Bestimmungsschlüssel für Blätterpilze und Röhrlinge in Europa, Teil 1: 369 (M. filopes), 372 (M. metata)
  • LUDWIG, E. (2012): Pilzkompendium Bd. 3: 730-733 (Text), Nr. 633-634 (Tafel)
  • https://www.pilzforum.eu/board/thread/54044-helmling-auf-fichte/
Alle Fotos, wenn nicht anders angegeben, von Bernd Miggel & Johann Rejek.
Zuletzt aktualisiert am 22. Januar 2023