Daedalea quercina

Eichenwirrling

(L.) Pers. 1801
Familie: Fomitopsidaceae
© Dieter Gewalt
quercina = an Eiche (wachsend)

Zu den wenigen Pilzarten, die man mit verbundenen Augen nur durch Ertasten erkennen kann, gehört der Eichenwirrling. Er wächst an totem Eichenholz, an dem er konsolenförmige Fruchtkörper ausbildet, deren korkfarbene Oberflächen sich krustig anfühlen und wenig spektakulär aussehen. Von oben betrachtet könnte es ein x-beliebiger Baumschwamm sein, aber man braucht nur seine Unterseite zu befühlen und weiß: das ist der Eichenwirrling. Gelegenheit dazu hat man fast in jedem Laubwald, in dem es Eichen gibt.

Das Hymenophor, die sporenbildende Fruchtschicht an der Hutunterseite, ist von lammelig-poriger Struktur von schier unglaublicher Vielfalt und von lederig zäher Konsistenz. Die einzelnen Stege sind wie der gesamte Fruchtkörper biegsam ohne zu brechen.

In jungem Stadium und besonders, wenn er aus Rissen in verarbeitetem Holz (z. B. Zaunpfähle, Wegbegrenzungen oder Holzbänke) herauswächst, bildet der Eichenwirrling gern schmale leistenförmige Fruchtkörper wie das obige Foto zeigt.

Am 21. August 2000 hatte ich Anlass zu einem besonderen Eintrag in meinen pilzkundlichen Aufzeichnungen. Es war die überraschende Substratwahl eines Pilzes, der laut Literatur und wie jeder weiß, ein geradezu obligatorischer Besiedler von Quercus-Arten (Eichen) ist. Wenn er tatsächlich mal fremd geht, dann noch am ehesten mit Edelkastanie oder Buche. Ich habe die Art wohl schon 1000mal beobachtet und immer nur an Eiche – aber an diesem Tag fand ich sie bei Dietzenbach in der Nähe des Schwimmbads an Erle, wo sie an der Schnittfläche des gefällten Baumstamms ein auffälliges Muster bildete. Die miteinander verwachsenen Fruchtkörper waren z. T. flach konsolenförmig, treppenartig verbunden und stellenweise auch resupinat. Die ungewöhnliche Substratwahl rief bald auch einen erfahrenen Porlingsspezialisten auf den Plan. Günter Sturm fiel vor allem die gleichmäßig blaßgelblich-grünstichige Farbe auf. Den Geruch beschrieb er als würzig-terpentinartig – ebenfalls untypisch für unsere Art. Das Hymenophor unterschied sich außer in der Farbe und im Geruch durch nichts von typischen an Eiche wachsenden Exemplaren. Sollte diese in Europa monotypische Gattung etwa doch nicht ganz so monotypisch sein? Vielleicht eine Varietät?

Nichts dergleichen. Die mikroskopische Nachprüfung durch Günter Sturm ergab zweifelsfrei: der sont so wirtstreue Eichenwirrling musste sich hier in der Partner- und Farbwahl vertan haben.

Die Gattung Daedalea ist übrigens nicht nach einem mehr oder weniger bedeutenden Mykologen benannt, sondern sinnvollerweise nach Daedalus, dem Erbauer des minoischen Labyrinths aus der griechischen Mythologie. Pilze mit labyrinthischem Hymenophor wie der Eichenwirrling werden als daedaloid bezeichnet.

Weiterführende Literatur:

Alle Fotos, wenn nicht anders angegeben, von Dieter Gewalt.
Zuletzt aktualisiert am 2. August 2020