Diatrype decorticata
Flächiges Eckenscheibchen
Wir unterscheiden drei Arten Flächiger Eckenscheibchen, von denen ich eine hier beschreiben möchte. Es handelt sich um Diatrype decorticata, eine Art, die auf dem blanken Holz von Fagaceen (z.B. Rotbuche), Betulaceen (z.B. Birke) oder auch Rosaceen wächst. In der roten Liste der gefährdeten Pilze Deutschlands von 2016 wird die Art in der Gefährdungsklasse „D“ (Daten unzureichend) geführt. Der hier beschriebene Fund ist aus dem “Tornadowald” in Karlsbad, Baden-Württemberg. Die Art wurde Mitte Mai 2021 auf zahlreichen liegenden, morschen Birkenästen gefunden.
Die Sammelfruchtkörper (Stromata) dieser Art sind recht unscheinbar, und man muss schon genau hinsehen, um sie zu erkennen: Es sind die flachen, feucht schwarzen, jedoch abgetrocknet schmutzig braunen Krusten auf dem blanken Holz Bei abgetrockneten Stromata heben sich sowohl die schwarzen Öffnungen (Ostiolen) der Einzelfruchtkörper (Perithecien) und auch der schwarze Rand deutlich vom bräunlichen Stroma ab.
Schneidet man ein Stroma an, kommen die dicht an dicht liegenden, kugelförmigen Perithecien mit ihrer dicken, schwarzen Wandung zum Vorschein. Sie besitzen nach RAPPAZ einen Durchmesser von 300-500 µm. Im reifen Zustand sind sie mit einer gallertigen Masse gefüllt, die die Asci mit den Sporen enthält. Die Ostiolen sind sternförmig geschlitzt und gegenüber dem sie umgebenden Stroma oft leicht erhaben. Nach eigenen Messungen haben sie einen Durchmesser von 70-80 µm.
Um an die Schläuche und an die in ihnen enthaltenen Sporen zu gelangen, entnimmt man einem angeschnittenen Perithecium die geleeartige Fruchtmasse. Um abzuklären, ob die Asci Jod-positiv sind, färbt man sie mit Baralscher Lösung an und schaut nach, ob der sogen. Apikalapparat (Verschließmechanismus, durch den die Sporen entlassen werden) sich verfärbt. In unserem Fall ergab sich ein “Hauch” von Blau. Diese äußerst schwache Verfärbung ist im nachfolgendem Foto kaum erkennbar (linkes oberes Ende des Ascus). Damit sind die Asci sehr schwach Jod-positiv.
Wichtig sind natürlich noch Sporenzahl und Sporenanordnung im Ascus. Bei der Gattung Diatrype enthalten die Asci generell acht Sporen. Wie das nachfolgende Foto zeigt, haben wir es zudem mit einer einreihigen (uniseriaten) bis unregelmäßig zweireihigen (unregelmäßig biseriaten) Anordnung zu tun.
Schließlich kommen wir zu den Sporen. Sie sind würstchenförmig (allantoid), glatt, hyalin und besitzen folgende Maße (Es wird das 95 % Vertrauensintervall zu Grunde gelegt): Lav x Bav = 7,9-8,4 x 1,8-1,9 µm, Qav = 4,3-4,7, Vav = 13-16 µm mit L Länge, B Breite, Q Schlankheitsgrad = L/B, V = Volumen, av = Average (Durchschnitt).
Die drei Flächigen Eckenscheibchen im Vergleich:
Diatrype decorticata (die hier beschriebene Art): Stroma flach, schmutzig bräunlich, Rand schwarz. Ostiolen klein, mit bloßem Auge nicht erkennbar. Substrat: Rotbuche, Birke. Sehr häufig.
Diatrype stigma: Stroma flach, rußschwarz, Rand schwarz. Ostiolen klein, mit bloßem Auge nicht erkennbar. Substrat: Eiche. Nicht häufig.
Diatrype undulata: Stroma dicklich-wulstig, rußschwarz, Rand steil und geschwungen, schwarz. Ostiolen deutlich größer, mit bloßem Auge gerade so erkennbar. Substrat: Birke. Selten.
Als 1981 der erste Band von Pilze der Schweiz (Ascomyceten) erschien, wußte man noch nicht so genau um die Vielfalt flächig wachsender Eckenscheibchen. Für Diatrype stigma, das Flächige Eckenscheibchen, wurden verschiedene Laubhölzer als Substrat angegeben, u. a. auch die Buche. Heute weiß man, dass diese Art fast ausschließlich auf Eiche vorkommt. Flächige Eckenscheibchen auf Buchenästen sind fast immer Diatrype decorticata!
Belege (Exsikkate) sind hinterlegt in den Fungarien KR (Staatl. Museum für Naturkunde Karlsruhe), STU (Staatl. Museum für Naturkunde Stuttgart), TUF (Universität Tartu, Estland)
Weiterführende Literatur:
- GÖRKE, C. & LOTZ-WINTER, H. (2015): Reflektionen zur Gattung Diatrype in Deutschland. Südwestdeutsche Pilzrundschau, 51. Jg. Heft 2: 40-45
- RAPPAZ, F. (1987): Taxonomie et nomenclature des Diatrypacées a asques octosporés. Mycologia Helvetica 2: 285-648
- https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41119.msg302935#msg302935