Xerocomus silwoodensis

Purpurbrauner Filzröhrling

A.E. Hills, U. Eberh. & A.F.S. Taylor 2007
Familie: Boletaceae
© Bernd Miggel
silwoodensis = im Silwoodpark (London) gewachsen

Nach der Neuordnung der Filzröhrlinge sind Rotfuß-, Maronen-, Schmarotzer- und andere verwandte Röhrlingsarten in neue Gattungen überführt worden und nur noch die engsten Verwandten der Ziegenlippe bei Xerocomus verblieben. In Europa sind es vier Arten, von denen die Ziegenlippe und der Braune Filzröhrling verbreitet und recht häufig sind.

Im Gegensatz dazu handelt es sich bei dem hier vorgestellten Purpurbraunen Filzröhrling um eine sehr seltene Art, die erst 2007 der wissenschaftlichen Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Inzwischen sind Funde aus England (Silwood Park), Österreich, Tschechien, der Slovakei und einigen anderen europäischen Ländern bekannt, anscheinend aber noch nicht aus Deutschland. Somit stellt der hier beschriebene Fund von Gerold Franke möglicherweise einen Erstfund für unser Land dar. Nach den bisherigen Beobachtungen ist die Art ein obligater Mykorrhizapartner der Pappel.

Gerold Franke hatte am 6. Oktober 2022 drei Fruchtkörper eines auffälligen, braunroten Röhrlings gemeldet, die er im feuchten Gras einer Streuobstwiese, etwa drei Meter vom Waldrand entfernt, gefunden hatte. Auch ich fuhr zum Fundort bei Karlsbad-Spielberg (Baden-Württemberg), wo ich eine Gruppe von fünf Fruchtkörpern fand, wenige Meter von einigen älteren Zitterpappeln entfernt. Andere Baumarten in der Nähe waren eine Weide und eine Roterle. Habitus und Färbung der Pilze ließen mich auf einen Filzröhrling der Gattung Xerocomus schließen.

Die Hüte waren trocken, matt, körnig-samtig-filzig, stellenweise ein weig aufbrechend, ausgewachsen flach ausgebreitet, in der Farbe von bräunlichrot über dunkel rotbraun bis dunkelbraun. Der größte Fruchtkörper besaß einen Hutdurchmesser von 9 cm. Die Stiele waren zylindrisch bis leicht keulig, gerade, basal ausspitzend und etwas in der Erde versenkt. Sie sind meist, jedoch nicht immer, mit einem erhabenen, aus länglichen Maschen bestehenden, dunkelbraunen Netz überzogen, an der Basal jedoch gelb und ungenetzt. Das Fleisch ist beim frischen Anschnitt hellcreme, verfärbt sich binnen kurzer Zeit jedoch intensiv hellgelb. Diese Farbe bleibt auch im Exsikkat erhalten. Ein Blauen oder Röten habe ich nicht beobachtet. Die Fleischfarbe bzw. deren Veränderung nach dem Anschnitt ist bereits ein makroskopisches Merkmal, um den Purpurbraunen Filzröhrling von X. subtomentosum und X. ferrugineus zu unterscheiden. Die Gelbverfärbung tritt bei keiner dieser Arten auf.

Das Fleisch ist über den Röhren etwa so dick wie die Röhren lang sind. Beim größten Fruchtkörper ist das Fleisch 17 mm dick bei einer Röhrenlänge von 14 mm. Der Geruch ist leicht „pilzig“, der Geschmack mild.

Basidien (links) und Hymenialzystiden (rechts) in SDS-Kongorot

Mikroskopische Merkmale:
Der Hymenialbereich setzt sich aus keuligen, 4-sporigen Basidien und zylindrischen bis keuligen, septierten, dünnwandigen Zystiden zusammen.

Sporen in Wasser (links) -- Hutdeckschicht in SDS-Kongorot

Die Sporen sind glatt, relativ dickwandig, spindelförmig bis ellipsoid und besitzen eine mehr oder weniger stark ausgeprägte subapikale Depression. In Wasser erkennt man, dass sie ganz schwach gelblich sind.
Abgesehen von der oben erwähnten Fleischverfärbung sind zur Unterscheidung von den restlichen Xerocomusarten die genauen Sporenmaße wichtig. Eine statistische Auswertung von 50 repräsentativen Sporen, gemessen in Wasser, ergab mit einer 95-Prozent-Sicherheit: L x B = 10 - 13 x 4,3 - 5,4 µm; Lav x Bav = 11,3 - 11,7 x 4,8 - 4,9 µm; Qav = 2,23 - 2,21; Vav = 136 - 141 µm3. (L Länge, B Breite (im Profil), Q Schlankheitsgrad = L / B, V Volumen, av Mittelwert (average).
Die Hutdeckschicht besteht aus Ketten rundlicher, nicht ornamentierter Zellen von 5,5 - 18,5 µm Durchmesser und 19 - 110 µm Länge und oft kugeliger Terminalzelle.

Belege (Exsikkate) sind hinterlegt in den Fungarien KR (Staatl. Museum für Naturkunde Karlsruhe), STU (Staatl. Museum für Naturkunde Stuttgart), TUF (Universität Tartu, Estland)

Weiterführende Literatur:

  • JANDA, V. et al. (2014) - 1st records of X. silwoodensis (Boletaceae) in the Czech Republic
  • KLOFAC, W. & KRISAI-GREILHUBER, I. (2018) - Überarbeiteter Schlüssel europäischer Boletales mit röhrigem Hymenophor
  • KLOFAK, W. (2021) - Purpurbrauner Filzröhrling, Xerocomus silwoodensis, und Uferrotfüßchen, Xerocomellus ripariellus, in Österreich. – Österr. Z. Pilzk.29
  • RÖDIG, T. (2011) – Die Europäischen Arten der Gattungen Xerocomus s. str. und Xerocomellus nach dem Gattungskonzept von SUTARA 2008
  • TAYLOR, A.F.S. (2006): Xerocomus silwoodensid sp. nov., a new species within the European X. subtomentosus complex. – Mycological Research 111 (2007): 403-408
  • https://en.wikipedia.org/wiki/Xerocomus_silwoodensis
  • https://inpn.mnhn.fr/espece/cd_nom/463937/tab/carte?lg=en
Alle Fotos, wenn nicht anders angegeben, von Bernd Miggel.
Zuletzt aktualisiert am 11. Oktober 2022